E-Auto Fazit nach 11 Monaten und 30.000 km

(Update vom 18.03.2024: kurz vor 50.000km – Das was unten steht, gilt weiterhin uneingeschränkt.)

Heute mal Offtopic:

Ich habe vorhin nach elf Monaten und 30.000 km mein e-Auto aus der ersten Inspektion geholt.

Hier mal eine wirklich sehr persönliche Zusammenfassung und zur Orientierung, weitab jeglicher Polemik. Im Netz etwas über Elektromobilität zu schreiben endet ja gerne mal mit Morddrohungen.

Als Selbständiger hatte ich in den letzten zehn Jahren das Privileg, regelmäßig auf neue Leasingfahrzeuge zugreifen zu können. Leasing rentiert sich einfach für mich.

Der letzte Diesel war ein Geldgrab, zu mal dieser im Januar 2020 zugelassen wurde und mit der km-Range aus der Vor-Corona Ära finanziert war. Es war klar, dass dies nicht nochmal passieren sollte. Und es war klar, dass kein Diesel oder Verbrenner mehr ins Haus kommt. Oder gar einer von diesen komischen Plug-In Hybriden. Die hab ich noch nie verstanden.

Auf das Auto verzichten ist keine Option, denn ich bin einfach zu viel und zu oft beruflich (oft mit viel Technik an Bord) unterwegs und die wenigen Verwandten sind auch nicht mal eben mit Öffis oder Fahrrad erreichbar. Und zum Thema Bahn und Verlässlichkeit im geschäftlichen Umfeld sachichgezzmanixmehr. 

Zur Einordnung: Ich fahre circa 40.000 km pro Jahr mit dem Fahrzeug.

Die Entscheidungsfindung zu Gunsten eines Fahrzeugs erspare ich euch hier. Es wurde – nicht nur auf Grund dessen, dass ein Freund der Familie Autohändler ist – ein Renault Mégane electric. Finanziell möglich durch die Ende Herbst 2022 noch voll greifende Förderung.

Mir war wichtig, dass es ein Fahrzeug einer Marke ist, die Erfahrung mit Elektromobilität hat und zudem eine Software an Bord hat, auf die man sich halbwegs verlassen kann (Spoiler: Man kann es!). Damit fielen schon mal alle halbwegs bezahlbaren deutschen Fahrzeuge raus.

Zur Einordnung: Der Mégane ist ein typisches Kompaktauto. Früher hätte man wohl „Golf-Klasse“ gesagt. Das interessante ist der sehr tiefe Kofferraum, wo im Alltag mehr reingeht, als in den Kofferraum von ähnlichen Karren. Mehr dazu unten beim Thema Urlaubsreise.

Laden zu Hause

Fangen wir mal mit dem Einfacheren an. Der Nerd in mir hat sich bereits Monate vor der Übergabe mit allem beschäftigt, was die Technik und den kommenden Alltag angeht. Macht ja auch irgendwie Spaß. Wir wohnen in einer Mietwohnung einem Haus mit zehn Parteien und unterschiedlichen Miet- und Eigentumsverhältnissen.

Unser persönlicher PKW-Stellplatz hat jetzt zufälligerweise die optimalste Position für eine Wallbox. Unsere über 80-jährige großartige Vermieterin war sofort auf unserer Seite. Es wurde zwar nicht wirklich kompliziert, dass sie in der Eigentümerversammlung eine Erlaubnis für den Betrieb einer Wallbox rausholte. Zum einen ist die Rechtslage ja mittlerweile so, dass man es kaum noch verbieten kann, außerdem übernahm ich alle Kosten.

Allerdings entschieden sie sich doch gegen eine zukunftsorientierte Installation für alle anderen im Haus und so bleibt die Wallbox eine persönliche Insellösung. („Setzt sich sowieso alles nicht durch.“) Alle im Haus, die irgendwann nach mir auch auf die Idee kommen, haben ein Problem. Zusätzlich ist eine Erweiterung durch eine PV-Anlage auch leider keine Option.

Installiert wurde die 11 kW-Box vom Partnerunternehmen des regionalen Energieanbieters. Dafür gab’s ne Förderung und ich lobe hier ausdrücklich den Service durch den E-Mobilitätszweig der AVU. Der Mitarbeiter dort hat mir wirklich richtig gut weitergeholfen und meine Rookie-Fragen auch zwei Mal beantwortet. Die Installation selbst war für den Techniker wohl ziemlich easy und die Box war bestens getimed zwei Tage vor KFZ-Lieferung anschlussbereit und schnurrt seitdem fehlerfrei.

Einziger kleiner Bummer: Im Nachhinein musste ich noch die virtuelle Erhöhung der Netzlast für das Wohnhaus einmalig tragen. Mit diesen Kosten hatte ich erst mal nicht geplant. Da wir aber nicht vorhaben, hier auszuziehen, war das auf lange Sicht verschmerzbar.

Die Box bezieht seitdem Öko-Ladestrom für e-Autos inkl. eines Nachttarifs. 

Jetzt zum Ende des Jahres wird der Tarif wieder automatisch angepasst, weil die Gebühren bereits zum zweiten Mal günstiger werden. (Nachttarif liegt dann bei 27,3 Cent pro kWh zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Beitrags.)

Hätte ich keine Box zu Hause: Die nächste 22 kW Ladeoption liegt ca. 200m Luftlinie entfernt, der nächste Schnelllader circa zwei km entfernt. Ginge also, wobei das Laden über Nacht durch die mittlerweile üblichen Blockiergebühren eher unpraktisch wäre.

tesla

Laden unterwegs

Wie oben schon geschrieben ist das Thema e-Auto schon recht nerdig, wenn man sich damit beschäftigen möchte. Ich möchte ;-). Also hab ich mir schön im Vorhinein sämtliche Ladekarten und -systeme reingezogen und bestellt. Stellt sich im Nachhinein raus: War gar nicht nötig. Folgende Kombi ist bei mir ungeschlagen: EnBW Ladekarte (Aktivierung und Zahlung) plus PUMP-App (Planung).

Ich habe in den ersten 30.000 km in Deutschland und Europa keine andere Karte eingesetzt. Sie hat – so die Lader es taten – immer funktioniert. Und falls nicht, dann konnte die dazugehörige EnBW-App die Station zum Laden bringen. Ich hab immer ne Menge Alternativkarten als Ersatz mit an Bord aber wirklich noch nicht zum Einsatz gebracht.

Ein Blick auf den ebenfalls sehr empfehlenswerten Ladefuchs zeigt dann oft, dass der „Normaltarif“ bei EnBW nicht immer der beste ist, aber ab einem höheren Tarif gleicht sich das dann doch oft aus. Bei EnBW kann man sich innerhalb von vier Wochen schnell mal im Vertrag in den Grundgebühren hoch oder runter klicken. Fährst du in der kommenden Zeit häufiger, Tarif hoch. Bleibst Du in der Region und lädst nicht so viel unterwegs, Tarif runter.

Und für die Convenience – „nimm die EnBW Karte, klappt immer“ – ist es mir wert, dann mal nen Cent mehr zu zahlen als woanders. 

Es ist wirklich so einfach: Karte dranhalten, fertig. Oder eben die App nutzen. Und EnBW sowie Fastned nutzen Plug & Charge. Da ist dann gar nichts mehr mit Karte. Auto einmalig anmelden, an die Säule anschließen, fertig.

PUMP App

Sie begleitet mich von Anfang an, nicht nur durch die wirklich sympathischen Interview-Folgen aus dem leider nicht mehr existenten Clean Electric Podcast (Kudos!).

Mit PUMP kannst Du sehr individuelle Strecken berechnen lassen, inklusive Start- und Zielvorgaben, was den Ladestand angeht. Und – noch viel besser – du kannst Ladeanbieter bevorzugen oder ignorieren. So ignoriere ich im Alltag zum Beispiel Ionity und EWE Go auf Grund ihrer Goldstrom-Preise. EnBW, Aral Pulse , Fastned und Tesla wiederum sucht sich PUMP dann standardmäßig bevorzugt aus. PUMP selbst holt sich die Status-Daten auch direkt vom Auto ab. PUMP kann noch viel mehr, daher absoluter Tipp.

PUMP bräuchte man nicht, wenn man der Software des Fahrzeugs trauen könnte, dazu aber mehr unter Software.

Meine negativen Erfahrungen, wenn man sie überhaupt so nennen kann, kann ich an einer Hand abzählen. 

Das Fahrzeug hat fast immer geladen, wo und wie es sollte. Wenn es mal nicht funktioniert hat, dann tat es der Lader direkt nebenan. Lediglich zwei Mal waren die Geräte alle belegt. Entweder bin ich dann 10km weiter auf der Route zum nächsten – in diesem Fall nagelneuen EnBW-Ladepark – gefahren, oder der Tesla-Lader, ein paar Cent teurer, war direkt nebenbei. Hinzu kommt, dass eines dieser Erlebnisse am Sommerferien-Reiseverkehr Wochenende war und es entsprechend absehbar war.

Nix negatives? Eigentlich wirklich nicht, aber ein klein wenig mehr Ladegeschwindigkeit wäre schön. Ja, man kann (und sollte bei kälteren Temperaturen) den Akku vor dem Schnellladen vorkonditionieren und es reicht wirklich aus, aber gerade so abends oder nachts spät beim Ladestop auf der Autobahn im regnerischen Winter sind fünf Minuten schneller schon ein Argument.

Leerer e-Auto Ladepark von EnBW

Reichweite

Ehrlich. Ich möchte dazu eigentlich gar nichts schreiben. Zum einen, um diesem Thema nicht noch mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Stichwort German Angst. Zum anderen: Es ist einfach kein Thema. Ich fahre viel, ich fahre auf der Autobahn in der Regel 125 km/h. Die Blase ist immer schneller voll als der Akku leer ist. Es wurde nie kritisch, nicht mal ansatzweise. Und nach 10.000 km kennst Du Dein Auto und weißt, was welche Anzeigen bedeuten.

Wurde es jemals kritisch? Nie! 

Die Ladeinfrastruktur in Deutschland ist für Reisende gut. Das muss zum Thema Reichweite reichen.

Software

Ein e-Auto steht und fällt mit der Software. Bei den deutschen Autos ist das – auch mit Erfahrungen aus dem privaten Umfeld – eine absolute Katastrophe.

Mein Fahrzeug läuft auf Android Automotive. Als Apple- und datensensibler Mensch schmerzt das, aber hier springe ich über meinen Schatten. Die Anbindung ans Ökosystem ist super. Ja, es gibt Kinderkrankheiten und Ärgernisse – (Klimaanlagen-Button reagiert oft erst nach 3x Klicken), aber alleine die Google Maps Integration inklusive Live-Verkehrsdaten ist vorbildlich, stimmt nahezu immer. Fast alles ist außerdem per Stimme steuerbar. Apple Car Play ist inklusive und funktioniert auch tadellos.

Was allerdings auch Google Maps/Automotive warum auch immer nicht richtig hinkriegt: Die On-Board Ladeplanung ist grottig. Das System lotst Dich zu Ladestationen, 20km von der Autobahn entfernt und kennt Stationen nicht. Wenn man sie aber manuell sucht oder eingibt oder aus PUMP übernimmt, dann wiederum schon. Versteht man nicht. Aber dafür gibt es ja eben PUMP.

kofferraum

Mal mehr transportieren

Der Mégane ist ein Kompaktauto. Und ich habe oft genug Technik-Zeug dabei, was der Job eben so hergibt. Da kommt es vor, dass es ab und zu knapp wird. Bislang hatte ich immer einen größeren Volvo Kombi, da passte halt mehr rein. Aber wirklich oft habe ich ihn bislang und nach fast einem Jahr nicht vermisst. Sitze umgeklappt, fertig. Und wir haben das absolute Glück, direkt neben einem Europcar-Laden zu wohnen.

Brauche ich mal einen Transporter, buche ich ihn mir. Das habe ich tatsächlich einmal gemacht, da ich eine größere Veranstaltung aufbauen musste. (Nebenbei: In einem Diesel-Transporter zu sitzen und diesen über die Autobahn fahren zu lassen nach 15.000 km rein elektrisch fühlt sich einfach nur noch falsch an. Ein sehr merkwürdiges Erlebnis, was ich aber anscheinend mit vielen Elektromobilist:innen teile.)

„Mehr transportieren“, das bringt uns dann zu

Sommerurlaub mit vier Personen

Drei Wochen Sommerurlaub in Dänemark mit zwei Erwachsenen, zwei Kindern, viel Kram, Lebensmitteln und Bettwäsche. Vorher war der Volvo immer voll und die Dachbox auf dem Dach. Spoiler: Hat hier auch wieder alles geklappt und das noch nicht mal knapp.

Ich habe eine neue, größere Dachbox angeschafft. Mit der Vakuum-Pumpe wurde die Bettwäsche kleingesaugt und bei jedem Schnickischnack in der Familie gefragt, ob wir das wirklich brauchen.

Ja, und bei dieser Ausnahmefahrt war dann der Verbrauch auch tatsächlich höher als im Durchschnitt sonst und wir mussten einmal mehr laden als üblich. Auch dies ist nicht wirklich ein Problem. Zum einen, weil Urlaub und weil eingeplant. Ich hatte damit gerechnet. Zum anderen, weil dies wirklich nur zwei Fahrten im Jahr sind, eben eine Fahrt in den Urlaub und eine Fahrt zurück. Dafür schaffe ich kein größeres Auto an. Und zur Not gibt es auch immer noch die Option, einen Koffer per Post zu schicken. Für die eine circa 2-stündige Fährfahrt habe ich das Laden an Bord gleich mitgeklickt und wir konnten als erstes boarden. Auch schön.

Immer noch um ein Vielfaches günstiger, als ein größeres Auto. Also auch hier, alles bestens.

Renault Megane lädt an einem Schnelllader in Dänemark

Gibt’s noch was zu sagen?

Ich schreibe mal nichts zu den Fahreigenschaften, dem Grinsen im Gesicht, den Rechnungen beim „Volltanken“ oder die sämtlichen im Alltag immer wieder auftauchenden Märchen und Mythen. Das machen sehr viele andere Menschen, teils mit evangelistischer Motivation. Hier geht es ja lediglich um ein knappes Jahr an Erfahrung und 30.000 gefahrene Kilometer. Das war’s also.

98% der e-Auto Fahrenden möchten sich ein weiteres e-Auto kaufen. Ich bin einer davon. Ein Verbrenner kommt mir nicht mehr ins Haus. Es gibt wirklich keinen einzigen Grund, zurück in die Steinzeit zu wechseln.