Chancen und Herausforderungendigitaler Spendenwerbung

Online-Spenden liegen im Trend

Interview mit Maik Meid im Spendenbericht 2020 von Fundraising Austria

Fundraising Austria (FA): Aus der Altruja-Online Fundraising Studie 2019 geht hervor, dass die befragten NPOs erstmals Online-Fundraising als wichtigsten Spendenkanal der kommenden Jahre sehen. Gleichzeitig liegen die Erträge derzeitnoch im unteren Bereich. Welche digitalen Tools und Strategien sind im gemeinnützigen Sektor gegenwärtig am stärksten verbreitet?

Die Bedeutung von Online-Fundraising wird in den Organisationen schon seit Start der Altruja-Studien als besonders wichtig empfunden. Wirklich viel an Entwicklung in der Fläche hat sich da kaum getan. Aus meiner Sicht spalten sich die Fortschritte der NPOs immer noch. Zum einen die, die einen Spendenbutton bereits als Online-Fundraising verstehen und den Spenderinnen und Spendern damit eine Möglichkeit bieten, online Geld zu geben. Und dann gibt es die anderen, die ausprobieren, immer mal wieder mit neuen Portalen experimentieren und schauen, wie es ins große Ganze passt. Und zuletzt diejenigen, denen Online-Fundraising-Strategien völlig egal sind, die auf gut Glück Dinge tun, was das Zeug hält. Sie sind auf allen Kanälen aktiv und haben stets Mission und Gelderträge im Fokus. Lediglich ein sehr geringer, aber dennoch wachsender Teil der Organisationen hat Online-Fundraising als Teil der gesamten Fundraising-Strategie im Blick und beginnt, beides immer stärker miteinander zu verknüpfen.

Welche Chancen hat die Digitalisierung für den gemeinnützigen Sektor insgesamt eröffnet?

Die Digitalisierung verändert alles, was wir tun, wie wir leben und auch wie Organisationen arbeiten. Alles was digitalisiert werden kann, wird digitalisiert. Dies beginnt im Kleinen bei der Anpassung von internen Prozessen und Arbeitsweisen. Sie endet im Großen bei der Überprüfung, ob Dienstleistungen und Projekte überhaupt noch langfristig überlebensfähig sind. In all diesen Dingen stecken Chancen. Die zentralste Chance ist aus meiner Sicht aber die Möglichkeit, allen Stakeholdern die Angst vor der Zukunft der Organisation zu
nehmen und neue Perspektiven und Entwicklungen für die eigene Arbeit zu erkennen.

Welche Entwicklungen und Trends im Online-Fundraising stehen unmittelbar vor der Tür oder halten bereits Einzug in die Arbeit der NPOs?

Man muss hier aus meiner Sicht zwischen den agileren Organisationen und den eher konservativ agierenden unterscheiden. Die Agileren probieren aus, die Konservativeren warten erst mal ab. Ich sehe aktuell keine größeren Trends. Die auch von mir vor wenigen Jahren stark im Sinn einer möglichen Transparenzverbesserung genannte Blockchain Technologie ist in diesem Zusammenhang völlig gefloppt und spielt zu Recht überhaupt keine Rolle. Im
kirchlichen Bereich erlebe ich gerade den Versuch, digitale Spendensysteme mit der analogen Welt zu verknüpfen, Stichwort „Digitale Kollekte“. Vermutlich werden Zahlungswege wie Apple Pay und Google Pay in Verbindung mit Alltagssituationen zunehmen und affektives Spenden vereinfachen. Aber auch das ist alles spekulativ. Insgesamt verwischt die Trennschärfe, was „Online-Fundraising“ überhaupt ist.

Mit welchen Herausforderungen sehen sich Organisationen angesichts der technischen Möglichkeiten konfrontiert?

Ich habe ein wenig Angst, dass NPOs in der Online- und Digitalisierungswelt die Orientierung verlieren. Und wenn sie die Orientierung verlieren, dann könnte es zu Resignation führen. Selbst mir als „Fachmenschen“ entgehen mittlerweile mehr Informationen und Entwicklungen, als dass ich sie mitbekomme. NPOs müssen verstehen, dass sie in Menschen investieren müssen, die als Change Agents das Neue kommunizieren, Verständnis für die
anstehenden Veränderungen entwickeln und sie vorantreiben. Ähnlich wie Fundraising vor 15 Jahren. Einzelne Multiplikatoren entwickeln die Organisation von innen heraus.

Was sollten speziell kleinere NPOs jetzt nicht verpassen, um mit den Entwicklungen der nächsten Jahre Schritt halten zu können?

Persönlich glaube ich, dass kleine Organisationen nicht unbedingt pauschal ein Problem damit haben. Natürlich sind viele immer noch sehr stark von Gründerpersönlichkeiten geprägt, die oft andere Grundmotivationen hatten,
als sich mit Fundraising zu beschäftigen. Hier erlebe ich in der Beratungspraxis oft ein Stück Entfremdung von der Realität. Dennoch können kleine Vereine oft schneller umsteuern und auch ausprobieren. Größere NPOs tun sich damit meinem Empfinden nach schwerer. Besonders, wenn Strukturen in Organigrammen über Jahre entwickelt und dadurch oft zementiert wurden. Die Pandemie hat jedoch dafür gesorgt, dass auch diese möglicherweise veralteten Arbeitsweisen zwangsläufig hinterfragt wurden.

Unter den Online-Kommunikationskanälen gemeinnütziger Organisationen ist derzeit insbesondere der Newsletter, aber auch die Kommunikation speziell über Facebook stark verbreitet. Wie wird sich die Kommunikation aus Ihrer Sicht in den nächsten Jahren verändern? Welche Kanäle werden fixer Bestandteil in der Arbeit von NPOs?

Ich schätze, dass die Organisationen, die sich sehr stark inhaltlich und finanziell mit dem Aufbau von Opt-Ins für Newsletter beschäftigt haben, dies auch weiterhin tun werden und tun sollten. Denn zu diesem Zweck ist die
E-Mail noch lange nicht tot, was erfolgreiche NPOs immer wieder beweisen. Messenger werden wichtiger werden. Kritisch sehe ich die Planungen, Basiskommunikation auf Chatbots und Automatismen auszulagern. Insgesamt
glaube ich, dass Kommunikation mit Interessenten flüchtiger, affektiver und aktionsbezogener wird. Bindung wird die größte Herausforderung.

Eine besondere Herausforderung für viele Vereine ist es, junge Menschen erfolgreich anzusprechen. Welche Möglichkeiten eröffnet die Digitalisierung hierzu?

Junge Menschen sind digital affiner, aber ausschließlich in der Verwendung von digitalen Geräten. Eine höhere Medienkompetenz kann man dadurch nicht unbedingt ableiten. Wir müssen es also schaffen, Zugänge zu jüngeren Spenderinnen und Spendern durch einfache Methoden zu erhalten. Auch wenn es technisch immer einfacher wird, Verhaltensmuster zu tracken und Kommunikationsideen darauf aufzubauen, so haben gemeinnützige Organisationen auch immer noch einen sehr ausgeprägten ethischen Anspruch. Nicht alles was gehen könnte, sollte auch gemacht werden. Im Endeffekt zählt auch in Zeiten der Digitalisierung: Ehrlich sein, transpa-
rent sein und mit einfachen Mitteln die Botschaft vermitteln – und dabei um Unterstützung bitten. Wobei letztere eher kleinschrittig sein wird und nicht sofort auf den Lifetime-Value abzielt.

Wie bzw. über welche Wege spenden junge Menschen
tendenziell?

Das ist eine der Gretchen-Fragen in vielen NPOs. Ich kann dazu nur persönliche Erfahrungen beitragen. In vielen Übungen lasse ich Menschen „testspenden“ und dokumentieren, wie sie das tun. Besonders bei einem Lehrauftrag mit 20- bis 25-jährigen Studierenden lerne ich erstaunliches. So nutzen sie teilweise direkt die Plattform betterplace als Orientierung, um für einen speziellen Zweck zu spenden. Die Organisation spielt nahezu keine Rolle mehr. Gleiches erlebe ich bei denjenigen, die direkt über eine Google-Suche ihr Spendenprojekt finden. Kernaussage: Hauptsache, es ist einfach und geht schnell, natürlich per Smartphone!

Quelle: Fundraising Austria – Download Spendenbericht 2020