Der nachfolgende Text erschien in einer leicht veränderten Version zuerst in der Dezember-Ausgabe des Fundraiser-Magazins.
Ausschlag gebend dafür war ein Seminar auf dem Deutschen Fundraising Kongress 2013, auf dem ich mich regelrecht in Rage geredet habe über hochglänzende und meist teure Erbschaftsfundraising Seminare, in denen man alles lernt: Bloß nicht, wie man eine tatsächliche Erbschaft abwickelt. Denn, mein Alltag sah anders aus. Keine der eingegangenen Erbschaften war irgendwie geplant, absehbar gewesen oder schön theoretisch über viele Jahre aufgebaut worden. Und einfach war keine einzige Abwicklung.
Durch Fundraising eine Erbschaft erhalten: Lest selber.
Erbschaftsfundraising boomt. jeder will an die Spitze der Spenderpyramide. In häufig hochpreisigen Veranstaltungen wird gelehrt, wie dies ethisch korrekt und langfristig gelingen kann. Doch nur die großen Organisationen können sich auf eine vorhandene Rechtsabteilung verlassen, wenn der Ernstfall eintritt.
Was aber tun, wenn dies tatsächlich geschieht und der Fundraiser vor Aufgaben steht, die ihn die kommenden Monate beschäftigen werden? Erbschaftsabwicklung ist auch Fundraising und, wie so vieles, nicht „mal eben“ zu machen.
„Wir haben da nen Toten für Sie,“
ist ein echter O-Ton, mit dem eine Mitarbeiterin eines Ordnungsamts den Fundraiser darauf hinwies, dass seine Organisation Alleinerbin geworden ist und der Verstorbene nun zum Transport zur Verfügung stünde. Schön wäre gewesen, wenn man die Testamentsgeber vorher gekannt hätte und in langen Gesprächen und Zeiten der Planung alles Nötige hätte besprechen können. Der Fall der Fälle tritt aber meist dann ein, wenn man nicht dran denkt und es gerade überhaupt nicht passt.
Bereiten Sie sich vor!
Die Vorbereitung auf einen, wenn auch meist nur spekulativen Fall einer eingehen- den Erbschaft ist das A und O der begin- nenden Abwicklung. Im Ernstfall werden Sie nicht in der Lage sein, einen klaren Kopf für die Planung zu haben, wenn das Telefon ständig schellt und ihnen unbekannte Menschen Fragen stellen, auf die Sie noch keine Antwort haben. Und die persönliche Erfahrung hat gezeigt, dass man mehrere Erbfälle benötigt, um die entwickelten Prozesse zu optimieren. Alle Beteiligten gehören dazu an einen Tisch: Recht, Finanzen, Liegenschaften sowie Fundraising. Die Ergebnisse werden do- kumentiert. Gestalten Sie diese Prozesse zunächst nur grob. Eine Person ist prozess- verantwortlich. Dies ist im Idealfall der Fundraiser, besonders dann, wenn es nur eine Person gibt.
Ansprechpartner, Checklisten, Telefonnummern
Zur weiteren Planung gehören auch Checklisten (zum Beispiel für das Aufnehmen einer Wohnung etc.), die Regelung von Ansprechpartnern (intern und extern) und Vertretungen. Ebenso griffbereit müssen Notrufnummern sein. Wo liegen diese? (Auch am Wochenende und in der Urlaubszeit?) Falls vorhanden sollte die Fundraisingsoftware vorbereitet werden. Welche Kennzeichnungen erfolgen wie? Gibt es ein gesondertes Modul? Falls keine Software vorhanden ist, sollte geklärt werden, wie genau die Dokumentation erfolgt. Ebenso wichtig sind die jeweiligen Ansprechpartner. Intern können das Juristen, Vorstand, Presseabteilung, Fundraising, Bauabteilung, Finanzabteilung, Poststelle oder kurzfristige Hilfskräfte zur Mithilfe sein. Im externen Bereich kommt es beispielsweise auf Steuerberater, Hausmeister, Bestatter, Juwelier, Antiquitätenhändler, Tierheim, Schlüsseldienst oder Hausbank an. Legitimationspapiere für den Abwickler inklusive einer Fristenliste sind ebenso unabdingbar.
Vertragliches abklären
Bei allem darf man allerdings auch eins nichtübersehen:Wassollmitdenererbten Mitteln geschehen? Hier kommt es auf sinnvolle Projektideen an. Im Lauf der Prozesse tauchen in der Regel noch weitere Fragen auf. Ist der Verstorbene bekannt? Ist es hundertprozentig korrekt, dass die Person verstorben ist? Wann war das? Gibt es einen Erbvertrag, von dem der aktuelle Vorstand oder Fundraiser wissen? Entstehen dadurch besondere Verpflichtungen?
Fristen in den Kalender
Ist der Fall dann eingetreten, so sollten Sie schnell sein und alle Termine der kommenden zwei Wochen verschieben. Führen Sie einen Fristenkalender über Beerdigung, Ausschlagung, Renten- und Mietzahlungen, Kündigungen, Banken- und interne Fristen. Dies alles nach dem vier-Augen-Prinzip und idealerweise in der Software.
Ohne Juristen geht es kaum
Häufig ist die Abwicklung ohne Juristen nicht zu schaffen. Kaum ein Testament, das entweder für einen Laien so eindeutig ist, dass es keiner Hilfe bedarf oder nicht „Enterbte“ aktiviert. Die Kosten sind meist verhältnismäßig. Außerdem kann ein Steuerberater helfen, um steuerrechtliche Fragen aus der Vergangenheit zu klären (Steuererklärung bereits erfolgt? Rückzahlungen oder offene steuerliche Verpflichtungen?)
- Gehören aktive Geschäfte mit zum Erbe?)
- Klären Sie die Familienverhältnisse!
- Wer ist „enterbt“ worden?
- Wer war oder ist für was formell und auch moralisch verantwortlich?
- Ist eher Kooperation oder Ablehnung zu erwarten?
- Wer hat möglicherweise schon eine Beerdigung organisiert?
- Wer hat die Wohnung schon aufgelöst?
- Gerade bei Wohnungsangelegenheiten kann die Familie besonders gut helfen.
Der Wille des Verstorbenen steht im Mittelpunkt. Immer.
Und vergessen Sie bei allen Dingen nicht, dass Sie Fundraiser sind. Der Wille des Verstorbenen steht im Mittelpunkt. Fragen und danken Sie! Dokumentieren Sie alles, was später nötig sein kann. Ein gut gefüllter Materialkoffer für diese Zwecke ist sehr sinnvoll.
Zu guter Letzt:
Sammeln Sie Stories rund um den Erbfall und bauen Sie sie in Ihre zukünftige Akquisearbeit ein. Somit bewahren Sie den Willen des Erblassers auch weit über seinen Tod hinaus im Fokus der Organisation.