Spätestens dann, wenn der Vorstand eines Vereins die eigene Website auf seinem Smartphone nicht mehr erkennen kann oder das Google-Ranking unterirdisch wird, kommt ein Thema regelmäßig wieder auf die Tagesordnung: Ein Website-Relaunch muss her.
(Dieser Artikel erschien zuerst am 12. April 2016 auf sozialmarketing.de)
Über Abläufe und Dauer eines solchen, oft sehr komplexen Vorhabens, wird viel geschrieben. Da reihen wir uns nicht ein. Allerdings stellt sich in der Nonprofit-Szene auch immer wieder die Frage:
Welche Agentur ist gut und wie finde ich diese?
Werbe- und Kommunikationsagenturen gibt es wie Sand am Meer. Ein Blick in einschlägige Werbefachmagazine wie Horizont, Absatzwirtschaft und Co. reicht, um Dutzende von Firmen aus der Region zu finden. Und das sind nur die, die dort gelistet sind und inseriert haben.
Meistens ist für den Nonprofit- und Fundaisingbereich eines entscheidend: Spricht die Agentur/Sprechen die Menschen die Nonprofit-Sprache? Sind sie vertraut mit den Abläufen im Online-Fundraising? Kennen sie die Herausforderungen im Alltag gemeinnütziger Organisationen? Und auch die Länge von Entscheidungsprozessen sowie die meist nicht unendlich ausschöpfbare Budgetmenge?
Noch entscheidender ist aber: Können sie von absatzorientiertem Marketing umdenken auf eine langfristig angelegte, aber dennoch kurzfristig wirkungsfähige Fundraising-Ansprache?
(Hinweis: Dieser Text setzt voraus, dass grundsätzliche Festlegungen hinsichtlich Strategie, Zielen, Zielgruppen, zeitlichen Abläufen und Ressourcen bereits erarbeitet wurden. Bitte beschäftigt Euch zunächst genau damit, bevor es an die Agentur-Auswahl geht. Es sei denn, die Agentur besitzt strategische Kompetenz und soll genau dies mit Euch erarbeiten.)
Der normale Ablauf bei der Auswahl einer Agentur ist häufig gleich. Man sieht Websites, die mehr oder weniger gefallen und man kontaktiert die verantwortliche Person vor Ort. Häufig wird dann im Impressum ein Name einer Agentur genannt und man nimmt Kontakt auf. So entsteht eine kleine Liste von Favoriten, die um ein Angebot gebeten werden. Ein klassisches Vorgehen ist immer noch, die eigentlichen Anforderungen an die Agentur durch ein Lastenheft zu definieren. Dort drin steht, was der Kunde wirklich will und die Agentur ist in der Lage, die Anforderungen einschätzen und in ein Angebot packen zu können. Definiert also zunächst das, was aus Eurer Sicht tatsächlich geschehen muss: Grafikleistungen, Fotografie, Text, Technik und System, Redaktionsplanung.
Erster Schritt: Ein Blick ins eigene Netzwerk
Kennt Ihr bislang keine passende Agentur, so ist ein Blick in das eigene Netzwerk tatsächlich der erste und beste Schritt. Wer kann mit wem? Wer ist zufrieden mit wem? Wer ist unzufrieden? Welche Arbeitsweise hilft allgemein und im Konkreten weiter? Welche Kompetenzen hat eine Agentur, welche müss(t)en ergänzt werden?
Weitere Hinweise und Fragen:
- Ein regionaler Bezug zur Organisation ist nicht unbedingt zwingend notwendig. Es kann aber für die regelmäßigen Austausche von Vorteil sein, wenn man sich kurzfristig treffen kann.
- Welche Referenzen haben die ausgewählten Agenturen? Sind ähnliche Organisationen bereits Kunden gewesen? Wurde das Thema gut umgesetzt? Erkennt man, dass die Agentur das Thema wirklich versteht?
Wie groß ist das Netzwerk der Agentur? Sind die beteiligten Personen „szenebekannt“?
Weiß die Agentur, was ein Online-Fundraising Tool ist, wo die Unterschiede sind und wie man es nutzt? - Wie viel wird tatsächlich inhouse gemacht? Welche Leistungen werden durch die Agentur selbst wieder rausgegeben? Eigentlich könnte das dem Kunden ja egal sein, sollte es aber nicht. Denn manche guten Fachleute sind sehr schwierig zu bekommen. Ist z.B. ein Typo3-Fachmann als freier Mitarbeiter auch für andere Agenturen tätig, so sind die freien Slots im Terminkalender des Spezialisten schwierig zu finden und nur genau zu treffen. Verschiebt sich der Projektplan, so ist möglicherweise der freie Slot des externen Spezialisten weg. Bietet die Agentur auch Texter-Leistungen an? Sprechen sie die Sprache der Spender, der Organisation und vor allem des Themas?
Zur Technik:
- Hat sich die Agentur auf spezielle CMS spezialisiert? Bietet diese zum Beispiel „nur“ Typo3-Leistungen an? Vorsicht beim Angebot von selbstentwickelten agentureigenen CMS! Dringende Empfehlung, sich als gemeinnützige Organisation an offenen Systemen (Typo3, WordPress, Drupal, Joomla, etc.) zu orientieren.
- Reden alle Beteiligten beim Begriff „responsive“ von der selben Sache? Responsive ist im Jahr 2016 nicht mehr nur eine Frage von mobiloptimierter Optik, sondern eine Frage der CMS-Architektur und dem allgemeinen Verständnis der Nutzung von Suchmaschinen durch den Menschen hinter dem Gerät. Gerade in der vergangenen Zeit sind einige hochpreisige Relaunchs an den Start gegangen, die das Thema völlig vernachlässigt haben und selbst die einfache Anpassung an mobile Endgeräte unberücksichtigt ließen.
Zweiter Schritt: Nehmt Kontakt mit den Dienstleistern auf.
Ruft an, schreibt eine E-Mail. Und nehmt bewusst wahr, wie mit Euch kommuniziert wird. Wie lange dauert es bis zu einer Rückmeldung? Wird der angekündigte Rückruf eingehalten? Wie stark sind die Vertriebsmaßnahmen nach dem ersten Kontakt?
Spürt, ob die Agentur wirklich Interesse an Euch und Eurem Thema hat, oder ob die Organisation vielleicht doch zu groß/zu klein ist und nicht ins Portfolio passt.
Und, nicht zu unterschätzen, sprecht soweit möglich direkt mit einem verantwortlichen Mitarbeiter oder mit dem Vertrieb. Falls Ihr mit dem möglichen Projektleiter redet: Stimmt die Chemie auch auf den ersten Blick? Was bietet man Ihnen an? Wie ist der Erfahrungslevel des Gesprächspartners?
Jede seriös arbeitende Organisation bietet Ihnen in der Regel ein kostenloses Erstgespräch an. Dieses sollten Sie bei näherem Interesse wahrnehmen. Übersenden Sie das Lastenheft und bitten Sie um ein Angebot. Diese Gespräche führen Sie mit der Menge an Agenturen, die Sie für sinnvoll betrachten.
Lassen Sie sich bereits vor dem Angebot beschreiben, wie die Agentur arbeitet und in welchen Schritten vorgegangen wird. Geht der Dienstleister dabei auf Ihre besonderen Eigenschaften ein?
Checkt auch mal die Website des Anbieters. Mal ehrlich: Websites von Agenturen sind deren Aushängeschild und Verkaufsraum. Wenn eine Agenturseite nicht den Anforderungen von 2016 entspricht und sie euch diese Leistungen verkaufen möchten, hinterfragt das lieber. Auch wenn Ihr technisch nicht superfit seid, um das heraus zu bekommen: Ein einfacher Responsive-Check hilft schon weiter.
Dritter Schritt: Angebotsvergleich und Entscheidung
Nach drei bis vier Wochen sollten alle Angebote auf dem Tisch sein. Diese sind in der Regel auf den ersten Blick nicht mit einander vergleichbar. Einige Organisationen holen sich externe Hilfe, um diese Angebote vergleichbar und somit entscheidungsfähig zu machen. Entweder wurden in den Gesprächen Budgetrahmen vorgegeben, so wird es kaum Überraschungen geben. Oder der Budgetrahmen wurde nicht genannt, so wird die Auswahl bereits durch die harten Fakten, sprich Preise, eingeschränkt.
Grundsätzliche Hinweise:
- Lasst euch einen Ansprechpartner in der Agentur nennen. Dieser ist Ihr Partner vor Ort und koordiniert das Projekt nach innen. Bei kleineren Agenturen und größeren Kunden ist das in vielen Fällen die Geschäftsführung selbst. Ist der Ansprechpartner von Beginn an unsympathisch, so kann auch der beste Knallerpreis nicht für bessere Laune sorgen und bremst womöglich den gesamten Prozess. Auf den Bauch hören!
- Nicht durch unterschiedliche Tages- oder Stundensätze irritieren lassen! Die Agentur mit einem günstigeren Tagessatz preist eventuell mehr Tage ein, während die hochpreisigere Agentur effektiver arbeitet. Macht nicht alles an den Preisen fest. Einige Agenturen erweitern das Angebot nach dem ersten Workshop, weil bestimmte Extraleistungen im Vorhinein nicht erkennbar waren. Besprecht vorher, welche Erfahrungen da im Raum sind und kalkuliert, um auf Nummer sicher zu gehen, 10% Zusatzkostenpuffer mit ein.
- Nicht unter Druck setzen lassen, auch wenn der Projektplan straff getimed ist. Ein Relaunch benötigt seine Zeit. Wenn das Angebot bis zur kommenden Woche unterschrieben sein muss, weil sonst kein zeitlicher Platz mehr in der Agentur für euch da ist, dann lasst es sein. Entscheidet und teilet der Agentur die Entscheidung umgehend mit. Auch eine Absage erfreut die Angebotsschreiber.
Vierter Schritt: Umsetzung
Den Relaunchprozess beschreibt dieser Text absichtlich nicht. Aber ein Hinweis sei noch erlaubt: Falls vor der Entscheidung zwei oder drei Agenturen zu einem Pitch eingeladen werden, dann teilt dies den beteiligten Dienstleistern mit. Plant ein Pitch-Budget mit ein und bezahlt die beteiligten Dienstleister für die ersten im Pitch präsentierten Ideen. Das steigert die Motivation der Beteiligten und ist fair.
Modelle für den Relaunch
Nicht wenige Organisationen besorgen sich aus unterschiedlichen Gründen (wenig Know-How, keine Zeit, kein Personal) einen externen Berater, der den Relaunch begleitet. Dies ist besonders komfortabel, da dieser als externe Projektleitung Abweichungen im Projektplan rechtzeitig erkennen und einschätzen kann. Es ist aber nicht unbedingt nötig. Mehrere Modelle führen beim in Sachen Relaunch zum Erfolg:
Modell 1: Alles aus einer Hand – eine Agentur für alles
EINE Agentur wird für Strategiefragen, Website Relaunch und auch Inhalte. Die Agentur hat Fotografen inhouse oder im Netzwerk, sie hat Text-Spezialisten an Bord und ist fachfirm im Bereich Online-Fundraising. Sie bietet digitalen Full-Service und koordiniert das Projekt direkt mit der Organisation.
Modell 2: Berater koordiniert Agentur(en)
Dies ist das Modell, wie im Kapiteltext beschrieben. Eine externe Person koordiniert eine oder mehrere Spezialagenturen und hält als Externer die Fäden in der Hand.
Modell 3: Agentur koordiniert freie Mitarbeiter
Die beauftragte Agentur arbeitet selbst ausschließlich oder viel mit externen freien Mitarbeitern zusammen. Dies bekommt die Organisation im Idealfall nicht mit. Im schlechten Fall ist genau hier der Knackpunkt zu finden.
Modell 4: Agentur oder Berater koordiniert Ihre freien Mitarbeiter
Häufig haben Organisationen einen eigenen Stamm an freien Mitarbeitenden. Dazu gehören Grafiker, Designer, Texter, Medienfachleute und (Online-)Fundraiser. Jede Person kennt ihren Bereich. Diese frei Mitarbeitenden sind von der Organsiation für das Vorhaben gesetzt. Ein Externer oder eine externe Agentur koordiniert diese Arbeit und füllt, zum Beispiel im Bereich CMS, die Lücken. Dies ist aus der Erfahrung heraus das komplexeste und herausforderndste Modell.
Egal, für was Ihr euch entscheidet: Ein Relaunch hat im Nonprofit-Bereich eine Halbwärtszeit von maximal fünf Jahren. Sprich, eigentlich fangen Sie nach dem Drücken der Start-Taste direkt wieder von vorne an.
Viel Erfolg beim Tun!