Ein Beitrag im Fundraiser Magazin, Ausgabe September 2020. Ich durfte etwas zum Scheitern im Fundraising beitragen. Hier der Originaltext.
Schöner gescheitert? Eine Frage der Perspektive.
Eigentlich verjährt, aber diese Geschichte löst immer wieder Gänsehaut aus. Gleichzeitig versichere ich an Eides statt, dass sie sich so zugetragen hat.
Mitten in einer mehrjährigen Fundraising-Kampagne zu Gunsten eines Schulneubaus hatten meine Kollegin und ich eine Idee. Hören wir auf, unsere Spenderinnen und Spender ständig mit Bitten zu belästigen. Wir waren dankbar für das bisher Erreichte und das wollten wir den Menschen sagen. Erntedank stand an, eigentlich ein perfekter Zeitpunkt für eine schöne Postkarte mit Kampagnenmotiv. Wir holten uns unseren Fotografen, der eine Jugendliche in Pose setzte. Mit dem Lettershop wurde vereinbart, dass eine echte Briefmarke auf den Karten klebt.
Eine Handschrift-Typo wurde ausgewählt, ein schöner Text verfasst. Die Datenbank selektierte alle Spenderinnen und Spender aus fünf Jahren, ca. 6.500 Adressen. Echte Unterschriften, mit Füller natürlich, sollten für einen jungen Fundraiser doch kein Problem darstellen. Tatsächlich war dies innerhalb von einer Woche im Feierabend erledigt. Das war aber auch schon das einzige, was funktionierte.
Es ging alles schief, was schieflaufen konnte.
Zusammengefasst: Die Postkarten kamen aus dem Druck, personalisiert und mit Briefmarke. Leider in einer falschen Grammatur. Wir hatten Fledderpapier in der Hand. Dummerweise hatten wir es aber so in Auftrag gegeben. Und zurückgeben ging auch nicht, da alle Karten frankiert waren. Niemandem fiel der noch vorhandene Tippfehler im Text auf. Machte aber nichts, da niemand wusste, wer da eine Postkarte verschickt hat.
Das Papier fraß die Tinte der Unterschriften und es kam nur ein verschmiertes Grau bei den Adressaten an. Und selbst wenn es lesbar gewesen wäre, wären Spenderinnen und Spender immer noch im Unklaren gewesen. Denn der Unterzeichner, ich, hatte wenige Tage vorher geheiratet und bereits mit neuem Namen unterschrieben. Den kannte bisher noch niemand.
Und auch die Datenbank selektierte nicht nur die Freunde der Kampagne, sondern alle. Es dürften sich eine Menge Menschen gefragt haben, warum sie Dank erhalten für etwas, von dem sie weder etwas gehört haben, noch für das sie je etwas gespendet haben.
Der PAL wurde perfekt ignoriert und die letzten Adressen erhielten eine Woche zu spät ihre Erntedankgrüße. Ich habe in den Jahren meiner Tätigkeit vor Ort nur einmal einen Anruf vom Stiftungsrat mit einer kritischen Anfrage erhalten. Ein Fall, um in den Boden zu versinken und um demütig zu werden.
Die Wendung
Drei Jahre später erhielten wir eine unangekündigte Erbschaft. Meine Kollegin und ich waren die Ersten in der Wohnung der überrascht Verstorbenen. Direkt neben ihrem Telefon im Wohnbereich fiel uns sofort die besagte Postkarte ins Auge. Sie lag dort nicht zufällig, sondern hatte ihren besonderen Platz. Sie hat der Dame etwas gegeben, was auch immer. Das Testament erbrachte unserer Stiftung über 300.000€ und es war älter als die Postkarte. Die Verstorbene hat ihr Testament aber auch nach Erhalt der Karte nicht mehr geändert, was in diesem Fall schon fast nachvollziehbar gewesen wäre.
Ich habe daraus etwas gelernt: Egal wie gestyled, gut beraten oder durchdacht Fundraising-Maßnahmen sind, oder eben nicht. Da draußen sind Menschen, die sich gar nicht dafür interessieren. Sie sind dankbar für alles, was sie von uns erhalten. Seitdem schaue ich gelassener auf das, was ich mache.
Meine Versuche, nachträglich den Ertrag auf den ROI der Maßnahme umrechnen zu dürfen, wurde allerdings vom Vorstand mit einem Schmunzeln abgelehnt.