WhatsApp: Gekündigt und gelöscht!

(Update Juni 2022: Dieser Artikel ist mit Stand von Mitte Januar 2019 nun schon einiges alt. tl;dr: Ich bereue nix. Es hat mir nichts gefehlt. Es kam zu keiner „komischen“ Situation und es war eine der besten Entscheidungen der vergangenen Zeit.)

Ich hab‘s getan. Echt jetzt. Und es hat auch gar nicht weh getan. Um ehrlich zu sein hab ich es bis auf einen sehr kleinen Anwendungsfall auch gar nicht wirklich im Einsatz gehabt: WhatsApp ist bei mir persönlich Geschichte. Konto gelöscht, App deinstalliert. Ganz unaufgeregt.
Dennoch fühlt es sich komisch an. Nix mit sozialer Isolation, da ist alles gut. Aber obwohl sich die Menschen um mich rum entweder selber schon länger auf der guten Seite der Macht befinden, so kamen direkt völlig ungläubige Rückmeldungen auf die Ankündigung. Man schaut in genauso fassungslose Gesichter wie vor Kurzem bei der Vertragsverlängerung des Mobilfunkvertrags: „Wie, Sie wollen Stream On NICHT? Ist doch kostenlos.“ Der Versuch der Erklärung, warum Stream On nicht nur offiziell illegal ist, sondern die Grundfesten des freien Internets angreift, blieb beim Provisionsverkäufer im Leeren hängen. Sei‘s drum.
Ich muss mich anscheinend erklären. Und da sich die Fragen häufen, hier eine Erklärung, warum dieser Schritt schon viel früher hätte geschehen müssen. Ein wenig ausgeholt. Hat nicht alles was mit WhatsApp zu tun, aber gehört in das Universum.

Es gibt ein Leben neben WhatsApp. Technisch gesehen.

Wer mich kennt, der weiß dass ich mich seit Jahren sehr stark für digital-gesellschaftliche Themen interessiere, Vorträge zur digitalen Disruption mit Auswirkungen auf die Sozialwirtschaft halte und Meinungen vertrete. Ich sympathisiere offen mit den „Landesverrätern“ von netzpolitik.org, warte sehnsüchtig auf die neuen Trauermeldungen Folgen von Logbuch:netzpolitik und bin Fördermitglied der DigiGes. Trotz eines aktuellen sehr unschönen Vorfalls (über den hier noch zu berichten sein wird) bin ich Verfechter der Stärken und Schwächen der Creative Commons Lizenzen und gebe gerne seit Jahren Tausende von Fotos für‘s freie Wissen her.

Diese Themen bewegen mich und sollten auch noch viel mehr Menschen interessieren. Sie sind seit einigen Jahren Teil meines Antriebs, morgens aufzustehen. Nun aber endlich WhatsApp:

Gründe, warum WhatsApp nicht mehr auf meinem Smartphone zu finden ist:

  1. Ich will kein Lieferant mehr von sehr persönlichen Meta-Daten an Facebook und somit an die internationalen Sicherheitsbehörden sein. Jeder digital interessiert Mensch weiß, dass Metadaten signifikante Merkmale über Personen verraten. Sie sind eben nicht anonym, sondern höchstens pseudonym. Und das will ich nicht und dazu will ich nicht weiter beitragen. Ich will nicht, dass andere Institutionen wissen, wann ich wo mit wem kommuniziert habe. Verschlüsselung der Inhalte hin oder her. Origins und Targets sind eben nicht verschlüsselt. Unsere Aufgabe muss es sein, dies auch unseren Eltern, Freunden, Verwandten zu erklären.
    Ein System, in dem mittlerweile zig Millionen Menschen in Deutschland mitmachen, gibt Informationen preis, die eine Gesellschaft nicht nur zum positiven verändern können. In großer Sympathie zum CCC und dem gerade beendeten #34C3 sei euch ein Blick in die Playlist vom Kongress empfohlen. Holt euch hier den Stoff, den Ihr benötigt, um mehr zu erfahren.
  2. In den kommenden Jahren werden wir automatisierte Datenanalysen im alltäglichen Raum erleben, bei deren Möglichkeiten sich Erich Mielke heute noch unter der Erde ins Fäustchen lacht. Ausdrücklich ohne Anzeichen von Verfolgungswahn oder psychotische Einwirkungen: Da kommt was, dessen Auswirkungen wir noch nicht erahnen. Metadaten galore. Auswertungen automatisiert auf Basis von Codes, für die es noch keine Regeln gibt. In einem Land, das für ein die Meinungsfreiheit gefährdende Netzdurchsetzungsgesetz gesorgt hat, ein „Leistungsschutzrecht“ aktiv umgesetzt hat, ständig versucht, die Netzneutralität zu umgehen und Günter Oettinger als Digitalkommissar der EU nicht verhindert hat. WhatsApp ist eine Datenkrake und Teil des digitalen Systems. Und das noch nicht mal per Zwang (z.B. durch ungewollte Videoüberwachung) sondern freiwillig und durch die Nutzer gefüttert. Really?
  3. Es gibt gute Alternativen. Und diese nicht zu knapp. Nutzt Signal, Threema, Telegram oder von mir aus eine Twitter-DM. Alles besser, verschlüsselt und genauso praktikabel. Streut eure Kommunikationskanäle. Setzt nicht alles auf eine Karte. Selbst die klassische SMS ist immer noch sinnvoll. Das ganze Netz ist voll mit Hinweisen über Alternativen.
  4. Jeder, der mich erreichen will, kann das immer noch tun. Über sehr viele Kanäle. Nur eben nicht über WhatsApp. Das hat bislang geklappt und wird auch weiterhin funktionieren. Einzige Ausnahme: Anonyme Anrufe. Die habe ich bislang nicht beantwortet und ich werde es auch in Zukunft nicht tun. Jeder, der mich anonym nicht erreicht hat, schrieb mir im Anschluss eine E-Mail. Der normale Weg.
  5. Die meisten WhatsApp Gruppen sind unnötig und reine Zeitkiller. Dies bezieht sich besonders auf Kita- und Schulklassen- oder Handballgruppen oder sonst wie gerenderte Ansammlungen. Wirklich wichtige Informationen erreichen Dich auf anderen Kanälen.
  6. Geschäftsmodell und Abhängigkeit von einem Unternehmer passen nicht in mein Weltbild: ICH will entscheiden, über welche Wege kommuniziert wird. Und ich will auch zumindest halbwegs transparent wissen, was mit meinen Daten geschieht. Im Übrigen der dieses Jahr im Rahmen der Europäischen Datenschutzgrundverordnung an den Start gehenden Regelungen besonders wichtig. (Der Sync des Adressbuchs ist völlig inakzeptabel!)
  7. Bequemlichkeit ist kein Grund zum Nicht-Wechsel! Irgendeiner muss anfangen. Und das bin nicht ich, sondern viele Menschen nicht nur aus meiner Filterblase haben entweder damit begonnen oder sind nie dem WhatsApp „Zwang“ erlegen. Ich bin aus WhatsApp raus, gerade weil ich mir eine gewisse digitale Kompetenz zuschreibe.
Stop Hände
Gefahren gibt’s überall, aber man kann sie minimieren.

Wait! Du bist nicht konsequent..

„Aber du bist doch noch bei Facebook und Instagram. Und ein Google Konto hast Du auch. Dann ist das alles doch nicht wirklich konsequent.“ Stimmt, da ist was dran. Der Ausstieg aus WhatsApp ist der erste Schritt aus der Facebook-Welt. Aktuell kann und will ich aus beruflichen Gründen auf Facebook und Instagram noch nicht verzichten, werde aber auch hier meine Aktivitäten in der kommenden Zeit stärker einschränken. (Update Januar 2020: Facebook spielt privat bei mir keine Rolle mehr. Ich schaue da nur beruflich 1-2x die Woche rein.)
Google ist ein ähnlich gelagertes Thema. Ich gebe zu, dass DuckDuckGo aktuell noch nicht wirklich meine Anforderungen erfüllt und ich das Google Konto aus beruflichen Gründen ebenfalls benötige. Aber ich bemühe mich zumindest um ein wenig Privacy, so es mir möglich ist. Gmail habe ich nie benutzt und werde es auch nicht tun. Das persönlich ausschaltbare Tracking ist soweit deaktiviert, wie es eben geht.

Warum gerade der WhatsApp Ausstieg?

Das fragte eine Kollegin in der Diskussion nach Veröffentlichung dieses Textes? WhatsApp geht direkt sehr tief in die Privatsphäre rein, in dem es ein intimstes Datum vom Nutzer als auch aller Kontakte (!) nutzt: die Mobilfunknummer! Außerdem ist das Messenger Nutzungsverhalten ein anderes als das bei Facebook, nämlich viel privater und besonders in Zusammenhang mit Ortsfunktionen großartig für Massenabfragen zum Standort. Die daraus abzuleitenden Metadaten sind umso ertragreicher, da kaum Filter greifen, wie bei Facebook oder Instagram. Dort entscheidet das Netzwerk für den Nutzer. WhatsApp interessiert vermutlich nicht der Inhalt der verschickten Nachrichten, aber umsomehr wer mit wem wann wo und in welchen Gruppen kommuniziert. Ein Vielfaches von Facebook.

2018 2022 ist das Jahr, um was zu machen!

Die ganz große Keule ist imho nicht alltagstauglich. Aber es geht mit kleinen Schritten. Wenn jeder ein wenig was beiträgt, dann wird die Welt gleich ein wenig besser.

  • Nutzt offene und fremde Wifis nur mit VPN-Verbindung. Kostet nicht die Welt.
  • Verschlüsselt eure E-Mails. GPG/PGP zu installieren ist kein Hexenwerk mehr. Oder S/MIME. Egal. Fangt an.
  • Ersetzt Dropbox, Google Drive oder Amazon Drive mit Nextcloud oder eurem eigenen NAS oder nutzt zumindest Boxcryptor et al.
  • Hostet Eure E-Mails selbst. Vergesst Gmail, GMX, Web.de und ähnlich gelagerte Angebote.
  • Man kann es nicht oft genug sagen: Achtet darauf, wo und wie ihr eure Daten eingebt. Traut keinen abgelaufenen Website-Zertifikaten, wenn euch euer Browser drauf hinweist. Gebt keine personenbezogenen Daten auf nicht verschlüsselten Seiten ein.
  • Schließt bekannte Exploits so schnell wie möglich. Updates Updates Updates!
  • Nutzt keine automatisierten Logins, z.B. via Facebook.
  • Und nicht zuletzt, wenn auch in diesem Zusammenhang nur Randthema: Kein Backup, kein Mitleid!

Mehr dazu?

Guido Brombach und Felix Schaumburg haben sich bereits 2016 ausführlich im (sehr empfohlenen und hiermit gepluggten) BZT-Podcast darüber ausgetauscht.


netzpolitik.org kennt gute Gründe für den Wechsel. Ein wenig technischer argumentiert Thomas Leister. Und es gibt auch operative Gründe gegen WhatsApp jenseits von digitaler Philosophie. Und nicht nur aus freundschaftlicher Verbundenheit: Der Lucas Scheel hat das schon früher erkannt.

Und jetzt bist DU DRAN!

Liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem Fundraising. Datenschutz ist euch und uns allen doch so wichtig. Die DSGVO steht vor der Tür ist da. Wir wollen Spenderinnen und Spender schützen. Das ist wichtig, notwendig und sinnvoll. Aber schützt doch jetzt erst mal euch selbst. Im April ist der kommende Fundraising Kongress. Das wäre doch ein schöner Zeitpunkt, bis dahin ausgestiegen zu sein. Und jeder, der es bis dahin gemacht hat, melde sich am Stand vom Fundraising Radio und wir reden drüber. Gerne auch anonym ;-).