Beitrag im Fundraising Magazin, Ausgabe 01/2023
Gegenüber zu diesem Beitrag gibt es noch eine Pro-Stellungnahme der Kollegin Kathleen Löwe.
Sollten sich NGOs mit Kryptowährungen als Spendenmöglichkeit beschäftigen?
Menschen, die mich kennen, wundern sich vielleicht. Ich schreibe hier etwas gegen den Einsatz von Kryptowährungen im Fundraising? Habe ich mich doch über all die Jahre mehrfach auch öffentlich positiv geäußert, bis hin zu heute schon fast peinlichen Zitaten über Blockchains, die „alles Dagewesene ändern werden“. Nun, Menschen ändern sich auch.
Nicht falsch verstehen, ich bin nicht vom Pro-Nutzer zum Hater mutiert. Ich war und bin weiterhin fasziniert von der Technologie und ei ner Welt mit dezentralen Zahlungsinstrumenten, aber sie bringt 99,9 Prozent aller gemeinnützigen Organisationen in Deutschland weder weiter, noch bringt sie Vorteile mit.
Gemeinnützige Organisationen verstehen die Technologie und die Herausforderungen schlicht nicht. Es herrscht tiefe Unkenntnis über die Möglichkeiten und besonders den rechtlichen Umgang. Und diejenigen, die sich als Nutzer mit Kryptowährungen auseinandersetzen, sind nicht die Zielgruppen, die uns langfristig die Spendenziele erreichen lassen. Die notwendige zeitliche Investition, den Einsatz von Kryptowährungen prozessual abzubilden und in die Organisation einfließen zu lassen, übersteigt aus meiner Sicht den zu erwartenden Ertrag in der Fläche.
Die Werte der jeweiligen Blockchain sind nicht nur extrem volatil, sondern werden durch teils ethisch schwierige Vorgänge künstlich gepusht. Dies geschieht zwar in der klassischen Finanzwelt auch, hier gibt es aber immerhin halbwegs funktionierende Kontrollsysteme. Ein Tweet von Elon Musk kann mal eben den Bitcoin abstürzen und den Dogecoin explodieren lassen.
Jüngst gingen NFTs (ein weiteres Blockchain-Produkt) durch die Decke. Menschen schmissen viel Geld in digitale Konstruktionen und Versprechen, um Kunstwerke oder Medien im digitalen Original zu kaufen. Und um später festzustellen, dass sie diese Technologie nicht verstanden haben. Das Geld war futsch, und viele der Token als Kaufbelege sind es nun auch schon längst. Während ich diese Zeilen schreibe, geht eine der größten Kryptobörsen der Welt pleite. Milliarden werden vernichtet.
Das gesamte Blockchain-Ökosystem passt nicht in die Welt der Gemeinnützigkeit und insbesondere ins Fundraising, wo es um Vertrauen geht, Langfristigkeit, Bindung und auch Rechtsklarheit. Kryptowährungen bleiben etwas für „Krypto-Bros“. Volatilität, die unklare Herkunft von Spenden, hochenergetische Proof-of-Work- Ansätze sowie die nachweisliche starke inhaltliche Nähe zu Waffen-, Drogen- und Menschenhandel lassen es mir schwerfallen, gute Einsätze im Fundraising zu finden. Wir sollten Spenden nicht erschweren, sondern vereinfachen.
Blockchains (und damit auch Kryptowährungen) lösen Probleme, die in Mitteleuropa nicht existieren. Oder zumindest keine, die für gemeinnützige Organisationen in unseren Breitengraden in der Fläche relevant sind. Die durch Blockchains benannten Probleme können herkömmlich gelöst werden. Sie mögen ihre Berechtigung haben, wenn sie wirklich echte Probleme lösen würden, die althergebracht dezentral über Zertifikate und energiearm nicht lösbar sind. Sehen tue ich diese hier bei uns nicht.